Soul of the Forest

„Soul of the Forest“ ist der erste Teil der zweibändigen Forest-Reihe und ist gleichzeitig mein erstes Buch im Selfpublishing und mein Beitrag zum Storyteller-Award bei Amazon.

In dem Buch steckt tatsächlich viel von mir mit drin, insbesondere bei Emma. Vieles davon war mir während des Schreibens gar nicht bewusst, aber im Nachhinein war es ziemlich offensichtlich. Umso mehr freue ich mich, diese Geschichte mit dir teilen zu können!

Hier einmal der Klappentext:

Emma hat nur ein Ziel: Das Rätsel um ihren verschwundenen Vater zu lösen. Sie will dafür einen Detektiv beauftragen und stellt zu ihrem Entsetzen fest, dass ausgerechnet Caleb, der Mädchenschwarm aus ihrer Semestergruppe, ihr bei diesem Unterfangen helfen will- obwohl sie vorher nie ein Wort miteinander gewechselt haben.

Bevor sie ablehnen kann, gerät sie in Lebensgefahr und hat keine andere Wahl, als Caleb zu vertrauen. Doch jede Antwort scheint nur noch mehr Fragen aufzuwerfen und Emma wird in eine Welt gezogen, die sie Märchen und Legenden zugeordnet hatte. Zumal sie sich immer wieder gegen die geheimnisvolle Anziehungskraft wehren muss, die er auf sie hat.

Schon bald entdeckt sie, dass nicht nur ihr Vater ein Geheimnis hat und noch am Leben sein könnte, sondern dass auch Caleb nicht der ist, der er vorzugeben scheint.

Der spannende Auftakt der „Forest“- Reihe!

Leseprobe

Kapitel 1
Der ganz normale Wahnsinn

Emma schrak von ihrem Buch auf, als sich plötzlich in der Mensa jemand hinter sie setzte. Ihre Überraschung legte sich etwas, denn sie merkte, dass es dabei nicht um ihre Gesellschaft ging: Die letzten freien Plätze befanden sich lediglich neben ihrem Tisch. Wie immer war es hier zwischen den Vorlesungen rappelvoll, und Professoren sowie Studenten nutzten die letzten Minuten vor der nächsten Vorlesung.

„Jetzt ist er wieder zu haben!“, stellte Helena fest, hatte sich mit dem Rücken zu Emma gedreht. So bemerkte sie nicht, dass Emma mit den Augen rollte und sich wieder ihrem Buch zuwandte. Natürlich geht es bei ihr wieder um Jungs, dachte Emma bei sich. Als ob es nichts Wichtigeres gäbe. 

Dennoch kam sie nicht umhin, mit einem Ohr zuzuhören, während Helena mit ihrer Freundin Viola sprach. 

„Und wen genau meinst du?“, erkundigte Viola sich, legte die schlanken, braun gebrannten Beine übereinander. 

„Na, wen wohl?“ Emma brauchte nicht hinsehen, um zu wissen, wie Helena theatralisch ihre perfekt geschminkten Augen verdrehte. „Caleb natürlich!“ 

„Caleb?“ Der Unglaube in Violas Stimme war deutlich hörbar. „Hat er wirklich mit Annabelle Schluss gemacht?“ 

„Natürlich.“ Helena stieß ein Schnauben aus. „Das war doch nur eine Frage der Zeit. Ich habe noch nie gesehen, dass Caleb länger als zwei Wochen an der Seite einer Frau verbracht hat.“

„Du scheinst das ziemlich genau zu beobachten“, sprach Viola aus, was auch Emma durch den Kopf ging. Angestrengt versuchte sie, sich auf ihr Buch zu konzentrieren, aber ihre Aufmerksamkeit wanderte immer wieder zu der Unterhaltung. Kurz überlegte Emma, ob sie sich woanders eine stille Ecke suchen sollte, aber die Mittagspause war ohnehin bald vorbei. 

„Hättest du nicht gerne ein Stück von ihm?“, gab Helena zurück. „Schau ihn dir doch mal an!“ 

Emma widerstand dem Impuls, ihren Kopf zu heben. Sie wusste genau, wie Caleb Stone aussah. Schon seit vielen Jahren gingen sie auf dieselbe Schule, hatten bereits gemeinsamen Unterricht gehabt. Es schien Schicksal gewesen zu sein, dass er auch dieselbe Uni besuchte. Auf der anderen Seite gab es nicht viel Auswahl in Aichenberg, er hätte schon wegziehen müssen.

Dennoch hatten sie in all der Zeit nie ein Wort miteinander gewechselt. Und sie war sich sicher, dass er sie nicht einmal bemerkt hatte.

Sie war nicht sein Typ, wenn Emma es von dieser Seite aus betrachtete. Weder war sie von ihrem Äußeren her besonders auffällig oder hatte viel zu bieten, noch zählte sie zu den beliebtesten Mädchen der Schule. Und an der Uni gab sie sich viel Mühe, weiterhin unsichtbar zu bleiben. Auf der anderen Seite interessierte sie sich aber auch für andere Themen als das neueste Getratsche, trendiges Make-up oder Follower auf Social Media. 

Caleb schien jedoch genau auf diesen Typ Mädchen zu stehen, und umgekehrt standen sie auf ihn. Was in Anbetracht seiner kurzen, hellbraunen Haare, die sich leicht lockten, den blassblauen Augen und dem stets anwesenden Grinsen keine große Überraschung war. Die T-Shirts mit Aufdrucken verschiedener Bands spannten sich über seiner wohlgeformten Brust, und die vielen Mädchen suchten häufig Schutz in seinen muskulösen Armen. Womit er all das verkörperte, was für Emma uninteressant war. Denn was nutzte ein derart attraktives Äußeres, wenn sonst nichts dahinter stand? Vor allem, da es praktisch „Achtung, Gefahr!“ aus jeder Zelle von Calebs Existenz zu schreien schien. In Anbetracht ihrer Verabredung für den morgigen Tag war dies das Letzte, was Emma nun gebrauchen könnte. 

„Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist“, stellte Viola fest, riss Emma aus ihren Gedanken. „Du wärst nur eine von vielen.“ 

„Und wenn schon.“ Helena zuckte mit den Schultern. „Bei all der Erfahrung, die Caleb hat, dürfte es ein lohnendes Erlebnis werden.“ 

„Denkst du wirklich, er hat mit all diesen Mädchen geschlafen?“ 

„Sonst wäre Annabelle wohl kaum derart am Boden zerstört. Nach knapp zwei Wochen Beziehung?“ 

Eine Antwort blieb Viola ihr schuldig, oder Emma konnte sie über das Läuten der Uhr nicht mehr hören. Helena und Viola schritten zum nächsten Unterrichtsfach, während Emma ihr Buch einpackte. Sie schulterte ihren Rucksack und machte sich auf den Weg zum Hörsaal. Dabei passierte sie Annabelle, und im Stillen musste Emma Helena recht geben: 

Annabelle sah aus, als wäre ihre gesamte Welt zerbrochen. 

Tränenspuren und zerlaufene Mascara zogen sich über ihre Wangen. Die sonst so glänzenden und gepflegten Haare wirkten, als hätten sie schon seit ein oder zwei Tagen keine Bürste mehr gesehen. Und auch der Pullover fiel in die Kategorie „Wohlfühlkleidung“ statt dem, was man sonst von Annabelle gewohnt war. Hatte sie wirklich gedacht, dass sie Caleb ändern könnte?

Nach dem, was Emma bisher in der Uni oder auch bei ihrer Mutter Meike hatte beobachten können, war das ein hoffnungsloses Unterfangen. Caleb würde auch die nächste Beziehung beenden und ebenso die nachfolgende. Es war offensichtlich, dass er sich nicht für eine langfristige Beziehung interessierte. Sofern er dazu überhaupt in der Lage war. 

Als sie sich hinten auf ihren Platz im Hörsaal sinken ließ, setzte Caleb sich auf seinen in der zweiten Reihe. Direkt neben Maria, und mit einem gewinnenden Lächeln wandte Caleb sich ihr zu. Es war ein sehr kleiner Saal, und die Anzahl der Studenten, die Philosophie studierten, war überschaubar. Da fiel jemand wie Caleb definitiv auf.

Da haben wir schon das nächste Opfer, stellte Emma belustigt fest. Sie fragte sich, ob Caleb sich selbst etwas beweisen wollte oder so etwas wie Bingo spielte und einen Preis gewann, wenn er mit jedem aus der Uni zusammen gewesen war. Kopfschüttelnd wandte sie sich dem Unterricht zu und zückte den Stift, um sich einige Notizen zu machen. 

Als die Stunde rum war, gingen Caleb und Maria bereits dicht an dicht in Richtung Ausgang, sehr zu Helenas offensichtlicher Verärgerung. Auch Emma ging an ihnen vorbei, die Bücher fest in ihren Händen. Dabei wurde sie jedoch angerempelt, und die Bücher stürzten zu Boden. 

„Mist!“, entfuhr es ihr, und rasch ging sie in die Knie. 

Auch Caleb bückte sich zu ihrer Überraschung nach den Büchern, und ein starker Parfümduft stieg ihr in die Nase.

Aber Emma war schneller. „Ich mache das schon.“ 

„Ich wollte dir nur helfen.“ Er klang beinahe verletzt, zog seine schlanken Finger zurück. 

Knapp lächelte sie. „Danke, aber ich brauche keine Hilfe.“ Schon gar nicht aus Mitleid. 

Caleb sah sie für einen Moment an, so dass sie unter dem Blick seiner blassblauen Augen unwillkürlich zusammenzuckte. So nah war sie ihm in all den Jahren noch nie gewesen, und sie könnte schwören, dass die Zeit für diesen Moment langsamer verlief. Dann zuckte er mit den Schultern und stand auf. Augenblicklich brach der Bann. „In Ordnung. Ich wollte dir nicht zu nahe treten.“ Calebs Stimme war unerwartet sanft und melodiös.

Ein leises Kichern ertönte hinter ihm, und Emma stieg die Röte in die Wangen. „Das hast du nicht.“ 

Hastig sammelte sie ihre Bücher zusammen und marschierte in Richtung des Fahrradkellers. Großartig, fuhr es ihr durch den Kopf. Als ob es noch nicht schlimm genug wäre, hin und wieder im Fokus von Helena zu stehen. Sicher würde sie diese Geschichte überall rumerzählen. Bis ihre Clique einen anderen Gesprächsstoff hatte, würden Wochen vergehen. Vorbei waren die Zeiten, in denen sie ruhig lesen konnte.

Bei dem Gedanken daran stieß Emma einen Seufzer aus und erreichte den Fahrradkeller.

Ihr Rad war leicht zu finden, es war rot und stellenweise rostig. Definitiv kein Fahrrad, dass man klauen würde. Dennoch hatte Emma es sicherheitshalber abgeschlossen. Sie schob es die Rampe hinauf und setzte sich auf den quietschenden Sattel. Der Großteil der Studenten und Studentinnen waren nun auf dem Weg nach Hause, was nach diesen langen sieben Stunden sicher eine Wohltat war. 

Für Emma dagegen war der Tag noch lange nicht vorbei.

Ohne groß darüber nachdenken zu müssen, fuhr sie in Richtung Stadtmitte. Die Universität lag eher am Rande ihrer Heimatstadt Aichenberg, in einem ruhigen Wohnviertel direkt am Waldrand. Dennoch war die Stadtmitte nicht weit weg. Sie war diesen Weg schon unzählige Male gefahren, selbst, als sie noch ein junges Mädchen gewesen war. Im Vergleich dazu fühlte sie sich mit ihren frischen zwanzig Jahren richtiggehend alt und erwachsen. 

Kein Wunder, bei all der Verantwortung, fuhr es ihr durch den Kopf. Doch es war kein Gedanke, der sie lächeln ließ. Immerhin gab es noch so viel zu tun und zu beachten, dass ihr trotz ihrer vielen Listen manchmal der Kopf schwirrte. Emma konnte von Glück reden, dass sie Hannelore an ihrer Seite hatte. Ohne die alte Geschäftspartnerin ihres Vaters hätte sie das niemals alleine hinbekommen, immerhin war von ihrer Mutter keine Hilfe zu erwarten gewesen. Wäre es nach Meike gegangen, dann hätte sie das kleine Hotel schon lange abgestoßen. Wahrscheinlicher war, dass sie nicht einmal bemerkt hatte, wie viel Zeit und Energie Emma in dieses Hotel steckte. 

Ihr fuhr der warme Sommerwind durch das rotbraune Haar, als sie den kleinen Hügel hinunterfuhr, der das Ende des ruhigen Stadtteils kennzeichnete. An manchen Tagen hatte Emma das Gefühl, dass der Hügel nicht zufällig an genau dieser Stelle war und stattdessen dafür sorgte, dass die wohlhabenderen Menschen von Aichenberg erst recht auf die anderen Viertel hinuntersehen konnten. Auch, wenn in Anbetracht der Hochhäuser am anderen Stadtrand keine Erhöhung notwendig gewesen wäre. Die grauen Bauten sah man schon von Weitem. 

Heute ließ Emma sich von diesen Gedanken jedoch nicht die Laune verderben. Immerhin war morgen ein wichtiger Tag, auf den sie schon seit Jahren hingearbeitet hatte. Sie konnte es kaum erwarten, dass der aktuelle Tag endete. Jede Stunde, die verging, würde sie der Wahrheit endlich näher bringen. Ein Lächeln formte sich auf ihrem Gesicht, und sie bog beschwingt auf die Hauptstraße ein. 

Wie immer war hier selbst für Aichenbergs Verhältnisse viel los, es herrschte der typische Feierabendverkehr. Emma würde nie verstehen, wie man an einem so kleinen Ort auf ein Auto angewiesen war. 

Kopfschüttelnd fuhr sie weiter, bog noch einmal nach rechts ab und über den Marktplatz. Sie konnte das Hotel „Zum Rosengarten“ bereits sehen. Ganz, wie der Name es versprach, rankten sich dank Hannelores grünen Daumen rote und gelbe Rosen am Spalier und den Wänden entlang. Emma fragte sich, ob ihr Vater damit einverstanden gewesen wäre, doch auf der anderen Seite spielte es keine Rolle. Wichtig war nur, dass das Hotel weiterlief. 

Trotz der guten Lage am Marktplatz gab es nur wenig Touristen, was vor allem an Aichenbergs fehlenden Attraktionen lag. Es gab keine Feste, keine Besonderheiten oder Museen. An diesem Ort reihte sich einfach nur ein Tag an den anderen. 

Das Einzige, was für Aufsehen und eine Menge Gerüchte unter den Bewohnern Aichenbergs sorgte, war das Anwesen. 

Es befand sich mitten im Wald hinter der Schule. Schon seit vielen Jahren kamen jährlich im Sommer Leute aus allen Teilen der Welt ausgerechnet an diesen abgelegenen Ort. Doch es war eine geschlossene Gesellschaft, selbst die wenigen Bediensteten, wie Emma es einmal im Jahr war, erfuhren nichts über den Grund oder Inhalt dieser Veranstaltungen. Da sie an diesen drei Tagen im Sommer jedoch durch ihre Arbeit und ihre Verschwiegenheit so viel verdiente, dass es das Hotel fast einen ganzen Monat über die Runden brachte, beschwerte sie sich nicht. Im Grunde war es ihr egal, warum so viele gutaussehenden Leute, meistens Männer, zu diesem Anwesen marschierten und genauso schnell wieder aus Aichenberg verschwanden, wie sie hergekommen waren. Auch in diesem Sommer war es wieder so weit und sorgte immerhin dafür, dass sieben der zehn Zimmer des Hotels besetzt waren. 

Rasch schloss Emma ihr Fahrrad an das äußerste Spalier an und betrat das Hotel. Die kleine Glocke über der Tür läutete, und augenblicklich ließ Emma den Schulalltag hinter sich. Lächelnd begrüßte Hannes von der Rezeption sie mit einem Nicken, das Emma erwiderte. Um ihre Prüfungen konnte sie sich später noch kümmern, jetzt zählte nur die Arbeit. 

„Hallo!“, begrüßte Hannelore sie mit einem Lächeln. Sie kam federleicht aus dem anliegenden Saal geschritten und umarmte sie zur Begrüßung. 

Tief atmete Emma den vertrauten Duft der älteren Dame ein. Hannelore hatte schon in diesem Hotel gearbeitet, als Emma noch den Kindergarten besucht hatte. Sie war immer an der Seite ihres Vaters gewesen. Nach seinem Verschwinden war Hannelore für sie zu einer Mutter, Großmutter, Partnerin und Freundin geworden. 

„Ist alles gut gelaufen heute?“, erkundigte Emma sich. Sie sah Hannelore in die blauen Augen, die trotz der grauen Strähnen ihrer Haare nichts von ihrer Intensität verloren hatten. Ganz im Gegenteil, je älter Hannelore wurde, desto mehr schien sie von innen nach außen zu strahlen. 

„Alles bestens“, beruhigte diese Emma. „Komm, wir gehen rüber.“ 

Sie folgte Hannelore in den angrenzenden Saal. Eigentlich war es nur ein größeres Zimmer, aber Saal klang für eine Mischung aus Frühstücksraum, Bar und Veranstaltungsraum wesentlich stilvoller. 

Die Männer aus den Zimmern saßen bereits an dem runden Tisch in der Ecke des Raumes. Jeder hatte ein Glas Wasser vor sich stehen. Ganz egal, wer das mysteriöse Anwesen besuchte, keinen der Gäste hatte Emma jemals Alkohol trinken gesehen. Als sie Hannelore sahen, winkten sie sie zu sich, und mit einem Lächeln lief diese flinken Schrittes auf sie zu. 

Emma ging derweil zum Tresen, an dem ihr Stammgast Liam bereits saß und ihr ein freundliches Lächeln schenkte. 

Sie ließ ihren Blick über den kleinen Saal hinweg wandern. Schon so viele Abende und ganze Tage hatte sie hier verbracht, dass sie sich wie ein Teil der alten Einrichtung fühlte. Die Gäste waren gekommen und gegangen, hatten Abdrücke auf den Stühlen oder Flecken auf dem Tresen hinterlassen. Aber Emma war geblieben. Wenigstens eine aus der Familie, schoss es ihr durch den Kopf. 

„Alles in Ordnung?“, riss Hannelores Stimme sie aus ihren Gedanken. Emma drehte sich zu ihr herum und musste unwillkürlich lächeln. Sie wusste nicht genau, was es war. Vielleicht lag es an der langen Zeit, die sie sich schon kannten, oder an dem Blumenduft, der Hannelore immer zu umgeben schien. Oder dass sie ihren Vater gekannt hatte. Vielleicht lag es auch an den sanften Augen oder den Lachfalten rund um die Mundwinkel. Aber Hannelore hatte etwas an sich, was ihre Sorgen vertrieb. 

„Mir geht es gut“, beruhigte sie die ältere Frau. „Ich war in Gedanken nur bei dem Treffen morgen.“ 

Eine kleine Sorgenfalte erschien auf Hannelores Stirn. „Bist du dir denn wirklich sicher, dass du das machen willst?“ 

„Ganz sicher.“ Emma musste nicht einmal darüber nachdenken. „Wieso fragst du?“ 

„Weil dir vielleicht nicht gefallen wird, was du herausfindest“, gab sie zu bedenken. „Was, wenn Thomás nicht mehr am Leben ist? Oder wenn er aus einem bestimmten Grund gegangen ist? Ich weiß, dass dir dein Vater fehlt“, fügte Hannelore sanft hinzu, legte ihr eine Hand auf den Arm. „Glaub mir, er fehlt mir auch. Seine ruhige Art habe ich oft vermisst, zumal seinetwegen die meisten Gäste kamen.“ 

„Ich weiß.“ Noch gut erinnerte Emma sich daran, wie viele Menschen in ihrer Wohnung und auch dem kleinen Hotel ein- und ausgegangen waren. Sie hatten nach ihrem Vater Thomás gesucht und waren dann in einem ruhigen Zimmer mit ihm verschwunden, was später sein Büro wurde. Emma hatte nie erfahren, was in diesem Zimmer geschah. Aber es schien etwas Gutes zu sein, die Leute kamen immer wieder, und ein Bouquet von Wald und Wiesen umgab sie. Besonders aber Thomás, der stets diesen Duft von nasser Baumrinde an sich trug, so herb und unverwechselbar. Er hatte immer Zeit für seine Besucher gehabt, aber vor allem für seine Tochter. 

Bis er eines Tages plötzlich verschwunden war. 

Seit Emma dazu in der Lage war, hatte sie versucht, ihn zu finden. Es gab keine Erklärung, keinen Abschiedsbrief oder irgendetwas, was sein Verschwinden hätte begründen können. Auch Meike hatte nichts von ihm gehört. Irgendwann war er einfach nicht mehr nach Hause gekommen. Die Polizei war natürlich bei ihnen gewesen, aber auch sie hatten die Suche mangels Hinweisen einstellen müssen. Zehn Jahre waren seitdem vergangen, ohne ein Lebenszeichen von ihm. 

„Er ist noch am Leben“, erklärte Emma nun. „Ich bin mir da absolut sicher.“ Es war ein Gefühl tief in ihr, dass ihr sagte, dass es ihrem Vater gut ging. „Gerade, weil es einen Grund für sein Verschwinden geben muss, will ich ihn erfahren.“ 

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